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Der Bischof und die Stammzelle

20.07.02
Bericht von einem Vortrag, den Bischof Dr. Fürst, Mitglied im nationalen Ethikrat zur Gentechnik, Mitte Mai 2002 im Biberacher Berufschulzentrum gehalten hat.
Im zahlreich erschienen Publikum waren wohl alle bedeutenden Institutionen Biberachs mit hochrangigen Vertretern präsent, IHK- neben Schul- und Bankdirektoren, Landrat Schneider sprach ein Grußwort und ein Schülerorchester spielte auf.
Die Rede zu Ehren des Namenspatrons des Schulzentrums, Kurt Arnold, hatte der Bischof unter das Motto gestellt:
"Wir bleiben auch im Angesicht der neuen Technik bei den alten christlichen Werten"
Landrat Schneider wusste dies zu deuten. "Wir haben europaweit die größte biotechnologische Produktionsstätte" lobte er seinen Landkreis und war sich ganz sicher: "die ist ethisch absolut verantwortbar." und überhaupt "die Zukunft für unsere Raumschaft."
Was er mit diesem Wort, das er noch öfters wiederholte, zu meinen beabsichtigte, erläuterte er nicht, er betonte stattdessen die "großen Hoffnungen", die "wir" in die Gentechnik setzen. Um zum Schluß haarschaft die Kurve zu kriegen:
"Zugleich sind wir auch der alten christlichen Wahrheit zugewandt, dem Himmel etwas näher."
Bevor der Herr Bischof antworten durfte, sprach noch ein Schuldirektor, und beinahe wäre ich eingeschlafen.

Leben ist mehr als Biochemie
Es sei "immer wieder von neuem hohe Zeit", begann dann Bischof Fürst, " daß viele Menschen miteinander in ein sachliches Gespräch kommen über ein Thema, dessen Bedeutung schwerlich überschätzt werden kann, die Gentechnik". Er wolle, so führte er aus, die Biotechnologien weder verteufeln noch heiligsprechen. Insgesamt befürwortet die Kirche die Gentechnik als eine Technik, die das menschliche Leben fördere und somit moralisch geboten sei.

Aus dem weiten Feld der Gentechniken nahm sich der Herr Bischof in der Folge besonders der Fortpflanzungstechniken an, die ihn sehr beunruhigten. Fürst kritisierte zunächst den "unzureichenden Begriff vom Leben", den die neudeutsch Lebenswissenschaften genannten naturkundlichen Fakultäten pflegen. Man könne das Leben nicht auf Chemie reduzieren. Und wo der Bischof recht hat, da hat der Bischof Recht:
Die Chemie kennt weder soziale noch zwischenmenschliche Beziehungen, Moral, Musik und Literatur liegen ihr gleichermaßen fern. Schon die scheinbar einfache Frage, wie denn nun "die Gene" den Phänotyp, das Erscheinungsbild eines Lebewesens prägen, ist nur für ganz wenige Ausnahmen geklärt.
Durch gentechnische Fortpflanzungsmethoden gerate die Menschheit zudem in einen schwer auflösbaren Widerspruch. Zugleich mit der durch Gentechnik erlangten "Göttlichen Macht" falle der Mensch nämlich in seiner Selbsteinschätzung auf das Niveau eines "machbaren Dinges".

Wann ist der Mensch ein Mensch?
Um die Grenze des der Fortpflanzungsmedizin Erlaubten zu bestimmen, griff Bischof Fürst auf das Konzept der Menschenwürde zurück, welches er auf die aus der Diskussion um den Abtreibungsparagraphen bekannten Art und Weise auslegte. "Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle" entstehe ein neuer Mensch, und diesem sei Menschenwürde zuzuerkennen. Die Konsequenz daraus ist aber das Verbot der verbrauchenden Embryonenforschung wie auch der Abtreibung.
"Die Forschung an importierten embryonalen Stammzellen ist der Anfang der Aushebelung des Embryonenschutzgesetzes", fügte er mit Blick auf die geltende Gesetzeslage hinzu. Abzulehnen sei ebenso die Präimplantationsdiagnostik, da diese Technik notwendigerweise zur Aussonderung und Tötung von befruchteten Eizellen führt.
Es scheint aber -zumindest mir- einigermaßen fraglich, ob eine solche Argumentation, die sich nur auf die eine Behauptung, daß die befruchtete Eizelle ein Mensch sei, stützt, durchgehalten werden kann. Ein Mensch, so könnte man einwenden, kommt per Geburt zur Welt, davor ist seine Mutter schwanger.

"Der Mensch soll nicht zum Objekt der Technik werden"
Gestützt auf dieses Arnold-Zitat vertiefte der Bischof seine Kritik an der Embryonenforschung. Hinter diesen Forschungen stehe die Vision vom perfekten Einzelmenschen, die zum Scheitern verurteilt sei wie zuvor die Vision von der perfekten Gesellschaft im Kommunismus. Zudem drohe die Aufsplitterung der Menschheit in zwei Gattungen, nämlich die gezeugten und die gemachten Menschen.
Wenn das das große Problem wäre, hätte die Kirche schon bei der künstlichen Befruchtung massiv intervenieren müssen. Der Berichterstatter wurde den Eindruck nicht los, daß der katholischen Kirche die Argumentation in Sachen verbrauchender Embryonenforschung zuvörderst als Munition gegen den Abtreibungsparagraphen dient, zumal Bischof Fürst die Zucht menschlicher Stammzellen ausdrücklich befürwortete, solange es nur keine embryonalen seien.
"Wir müssen Weltmeister werden in der Erforschung adulter Stammzellen." erklärte er auf eine Frage aus dem Publikum.

Zum Abschluß des Abends erhielt noch ein Vertreter der IHK, ich glaube er nannte sich Sälzle, das Wort, der über pluripotente embryonale und totipotente adulte Stammzellen schwadronierte und sich damit als Großmaul outete. Vom Publikum darauf aufmerksam gemacht, daß er da wohl was verwechselt habe, meinte er, "Die Juden haben offensichtlich kein Problem mit solchen Forschungen.", man sollte "es" tun.
Der Herr hat auch bestimmt kein Problem mit "den Juden", sonst hätte er "der Jud" gesagt. So san’s, die Deitschn.