Ralph Heidenreich Schönfeldstraße 2 88400 Biberach Germany
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Deutsche Männer unter sich

Prozess gegen zwei Neonazis
im Februar 1998
Wieviele Angeklagte vor einem Jugendgericht sind zusammen 55 Jahre alt?

Die zwei Nazi-Skins Alexander G. aus Wangen und Thomas A. aus Pfuhl, der eine 27, der andere 28 Jahre, beide mit mehreren einschlägigen Vorstrafen, standen am 11.02.98 vor dem Biberacher Jugendrichter Ehrmann. Vorgeworfen wurde ihnen, bei einem überregional organisierten Gelage zu Ehren des Nazi-Führers Rudolf Hess am 17. August 1996 auf dem Waldspielplatz Fohrhäldele in Biberach Polizisten beleidigt und die Nazi-Parolen "Sieg Heil", "Heil Hitler" und "Juden raus" gegröhlt zu haben, letzteres auch ein Vergehen der Volksverhetzung.
Richter Ehrmann eröffnete die Verhandlung mit einer lustigen Bemerkung. "Das ist die Geschichte von den zehn kleinen Negerlein, die sind jetzt alle weg. Wir verhandeln hier vor dem Jugendgericht gegen zwei Erwachsene, weil uns alle Jugendlichen abhanden gekommen sind." Bei dem Saufgelage am Fohrhäldele waren mindestens hundert Nazis dabeigewesen, gegen etwa zwanzig hatte die Polizei ermittelt, bei dreien kam es zur Anklage, und von denen war zwischenzeitlich einer, nach Bamberg verzogen. Die Ermittlungen waren in Gang gekommen, als Anwohner aus einem nahegelegenen Wohngebiet wegen dem Gegröhle und dem Lärm eines Notstromaggrgats die Polizei gerufen hatten. Die Nazis hatten die eintreffenden Beamten mit Beschimpfungen und den oben erwähnten Parolen empfangen.
Die damals eingesetzten Beamten traten nicht als Zeugen auf, so daß das Gericht ausschließlich auf die Aussagen von zwei jungen Frauen angewiesen war, die bei dem Besäufnis dabei gewesen waren, und von denen eine nicht vor Gericht erschien. Der vernehmende Kriminalbeamte hatte nämlich - so erklärte es der Verteidiger - den Angeklagten Galler informiert, daß er von der jungen Frau belastet worden sei. Daraufhin, so der Angeklagte, "habe ich sie zufällig in Memmingen getroffen und mit ihr gesprochen, und da hat sie gesagt, sie könne sich gar nicht erinnern, daß ich da gewesen sei." Das Treffen sei ganz friedlich gewesen, einer von seinen Kumpels, der dabei war, könne das bestätigen. Das Verfahren gegen ihn wurde daraufhin vertagt, gegen die nicht erschienene Zeugin verhängte Richter Ehrmann ein Ordnungsgeld.
Die andere Zeugin, die bei der Polizei unter anderem den Angeklagten Arnold belastet hatte, konnte sich nun auch an nichts mehr erinnern. Das Polizeiprotokoll sei ein einziges Mißverständnis gewesen und Nazi-Parolen hätten irgendwelche Unbekannten gegröhlt. Da wurde der Staatsanwalt aktiv. Fünfzehn Seiten Verhörprotokoll seien nicht als Mißverständnis zu erklären, meinte er, und drohte der Zeugin damit, sie zu vereidigen und anschließend wegen Meineides anzuklagen. Diese wurde nun sichtlich nervös, blieb aber bei ihrer Aussage und hörte erst auf, ihr Unwissen zu beteuern, als Richter Ehrmann sie unterbrach: "Lassen wirs dabei, Sie reden sich um Kopf und Kragen." Da meldete sich der Angeklagte und rief "Ich gebs zu, Hitlergruß und so." Darauf der Staatsanwalt: "Nein, Sie geben das jetzt nicht zu!", der Richter: "Frau XXX, war ihre Aussage bei der Polizei korrekt?", der Angklagte: "Ich gebs doch zu" , der Staatsanwalt: "Nein nicht jetzt !" ,die Zeugin :"Ja" , der Angeklagte: "Ich gebs zu".
Nun gings vollends flott. "Auf eine Beeidigung der Zeugin wird verzichtet" diktierte Richter Ehrmann und fügte an den Staatsanwalt gewandt ein "seien wir doch nicht so" hinzu. Der Staatsanwalt hielt ein kurzes Plädoyer, worin er auf 14 teils einschlägige Voreinträge im Strafregister des Thomas Arnold verwies, darunter "einmal mit Prügel auf NPD-Parteitag" und eine Freiheitstrafe von zweieinhalb Monaten auf drei Jahre Bewährung forderte.
Inzwischen war das Publikum deutlich angewachsen, neben dem mit den Herren Samain und Kappler vertretenen Staatsschutz waren noch drei Skins aus Bamberg erschienen. Die hatten allen Grund sich zu freuen, als Richter Ehrmann sein Urteil verkündete: 2000 DM Geldstrafe. Der Volksverhetzung habe sich der Angeklagte nicht schuldig gemacht, weil die Parole "Juden raus" auf dem Hess-Besäufnis nicht geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Kommentar von einem der Nazi-Skins beim Verlassen des Gerichts: ein richtig vernünftiger Mensch, der Richter.